Springe direkt zu Inhalt

Theoretische Grundlagen

Wir verstehen Filme als ästhetische Modellierungen von Raum und Zeit, welche die dynamischen Bedingungen unseres Wahrnehmens, Empfindens und Verstehens beständig neu rahmen und figurieren. Ziel unserer Methodenentwicklung ist es, die in dieser zeitlichen und räumlichen Dynamik wirksamen ästhetischen Muster sicht- und intersubjektiv beschreibbar zu machen.

Eine wesentliche Grundlage unserer analytischen Studien bildet die detaillierte deskriptive Analyse raumzeitlicher Inszenierungsmuster mit Möglichkeiten digitaler Tools. Mit der Entwicklung solcher computergestützten Methoden verfolgen wir eine dezidiert qualitative Perspektive: Wir beschreiben die raumzeitlichen Bewegungsmuster der filmischen Inszenierungen als – empirisch in den audiovisuellen Bildern gegebene – Dynamiken, denen sich je spezifische affektive Qualitäten zuordnen lassen. So können wir die Muster audiovisueller Kompositionen, die die sich in der Zeit entfaltende Erfahrung der Zuschauenden figurieren, in den Blick nehmen.

Dieser Perspektive liegt ein theoretisch fundiertes methodologisches Konzept zugrunde, das den Begriff der Ausdrucksbewegung ins Zentrum stellt. Die Profilierung dieses Begriffs fußt auf einer umfassenden kulturhistorischen Recherche und verknüpft unterschiedliche Konzeptionen miteinander: frühe filmtheoretische (Münsterberg, Eisenstein, Balázs), soziologische (Simmel), anthropologische (Wundt, Bühler, Plessner), kunsttheoretische (Fiedler, Dewey), neo-phänomenologische (Sobchack) und film-philosophische (Deleuze). 

Der Begriff der filmischen Ausdrucksbewegung bezeichnet eine expressive Dimension audiovisueller Bilder, die sich nicht über die dargestellten Inhalte und Repräsentationen vermittelt, sondern in der zeitlichen Komposition der filmischen Gestaltungsmittel entfaltet. In der Orchestrierung von Kamerabewegungen, Schnittrhythmen, Lichtsetzung, Bildkomposition, Ton und Musik bilden sich immer neue und dynamische Modellierungen von Raum und Zeit heraus. Die diese Modellierungen begründenden Muster zeigen sich als je spezifische audiovisuelle Gestalt mit bestimmten expressiven 'Färbungen', vergleichbar mit der Melodie eines Musikstücks, deren affektive Qualitäten nur im zeitlichen Zusammenspiel der verschiedenen Klänge im Durchgang durch die Zeit gegeben sind, nicht aber in der einzelnen Note. So wie die Melodie erst im Gehört-Werden entsteht, entfaltet sich die raumzeitliche Gestalt der Ausdrucksbewegung nicht im einzelnen Bild, sondern in der Dauer des Sehens und Hörens der Zuschauer*in. 

Um diese Dimension audiovisueller Expressivität sichtbar zu machen, haben wir eine systematische, computergestützte Analysemethode entwickelt, mit der die jeweiligen Muster und Dynamiken in ihrer zeitlichen Dimension identifiziert und beschrieben werden können: den eMAEX-Ansatz ("electronically based media analysis of expressive movement images"). Hierbei handelt es sich nicht um eine Software, sondern um eine methodologisch fundierte Routine der Segmentierung und deskriptiven Analyse audiovisueller Bilder, bei der verschiedene digitale Tools zum Einsatz kommen können.

 

Weiterführende Lektüre: